Wie alt werde ich? – Wieso sinkt die Lebenserwartung der Deutschen immer weiter?

0

Jahrzehntelang stieg die Lebenserwartung der Menschen in den Industriestaaten. Nun geht diese Tendenz zurück. Ganz besonders hart trifft es die Deutschen. „Wie alt werde ich?“ Nicht mehr so alt wie früher!

Wie alt werde ich: Die Lebenserwartung sinkt

Die Sterbefallzahlen in Deutschland von 2022 und 2023 sind entmutigend (Foto: AdobeStock - lichtbildmaster 406071127)

Die Sterbefallzahlen in Deutschland von 2022 und 2023 sind entmutigend (Foto: AdobeStock – lichtbildmaster 406071127)

Das Beste zuerst: Die Einwohner Deutschlands erreichen ein höheres Lebensalter. Medizin und Gesundheitssystem sorgen mit zahlreichen Verbesserungen dafür, außerdem tragen die Menschen durch eine gesunde Lebensweise auch selbst dazu bei.

Der Effekt ist für Experten auch an der Sterbewahrscheinlichkeit erkennbar. Dafür wird eine Skala von 0 bis 1 angesetzt, die das Risiko anzeigt, dass ein Mensch in einem bestimmten Jahr stirbt. Dabei wird allerdings erkennbar, dass sich der Fortschritt verlangsamt und die Menschen weniger alt werden.

Ein höheres Lebensalter bedingt im Durchschnitt auch ein höheres Sterberisiko. Die Forscher setzen zur Berechnung der Sterbewahrscheinlichkeit die Sterbefälle und die lebenden Menschen eines Jahrgangs ins Verhältnis zueinander. Damit werden Sterbetafeln erstellt, die wiederum die wahrscheinliche Lebenserwartung prognostizieren.

Vor allem Frauen sind betroffen

Die Sterbewahrscheinlichkeit scheint sich nicht mehr so günstig wie in den vergangenen Jahrzehnten zu entwickeln. Dies kam bei einer Studie von Forschern der Bayes Business School in London heraus. Die Forscher hatten sich mit den Menschen aus Ländern mit hohem Einkommen befasst. Zugrunde lagen 21 Länder und einen Zeitraum von 50 Jahren (1960 bis 2010), wobei die Sterblichkeitsraten und aktuelle Daten verglichen wurden.

Vor allem deutsche Frauen scheinen davon betroffen zu sein. In den Jahren 1991 bis 2000 hatten sie eine Verbesserung der Sterbewahrscheinlichkeit von 2,4 Prozent. In den Jahren 2011 bis 2017 ging diese Wahrscheinlichkeit auf ein Prozent zurück. Bei Männern sank diese Rate nur von 2,2 auf 1,23 Prozent und damit deutlich langsamer.

Großbritannien, Taiwan und Deutschland schnitten im Ranking um die durchschnittlichen Besserungsraten der Sterbewahrscheinlichkeit am schlechtesten ab. Deutschland belegt unter den untersuchten Ländern bei Frauen Platz 18 und bei Männern Platz 20. In allen verglichenen Ländern waren die Lebensverhältnisse ähnlich.

Der Professor für Versicherungsmathematik an der Bayes Business School, Steven Haberman, sieht in den Forschungsergebnissen einen alarmierenden Trend. In vielen Ländern geht die Sterbewahrscheinlichkeit nicht so weit zurück wie erwartet. Haberman geht davon aus, dass das Rentenalter zu schnell angehoben worden sein könnte. „Wie alt werde ich?“, lässt sich damit schlechter beantworten.

So sieht die Entwicklung der Sterbefälle in 2023 aus

Der Januar 2023 zeigt sich ganz besonders erschreckend: Hier lag die Zahl der Sterbefälle rund 13 Prozent über dem Median der Jahre 2019 bis 2022. Dabei gab das Robert-Koch-Institut aber an, dass die Grippewelle ihren Zenit bereits vor dem Jahreswechsel überschritten hatte. Auch die Zahl der Corona-Toten lag zu dieser Zeit besonders hoch und sank dann wieder. In der ersten Kalenderwoche 2023 lagen die Sterbefallzahlen dann sehr weit über dem Mittelwert der vier vorangegangenen Jahre. Noch zwei bis vier Prozent über dem Mittelwert lagen die Sterbefallzahlen in den Kalenderwochen vier bis sieben.

Welche sozialen Faktoren und Volkskrankheiten kommen als Ursache für das Sterben infrage?

Die Industriestaaten melden immer höhere Zahlen von an Volkskrankheiten Leidenden. Vor allem Adipositas und Diabetes sind auf dem Vormarsch. Die Zahl der Raucher bleibt konstant, was auch für Menschen mit einem zu hohen Cholesterinspiegel gilt. Demenz und Alzheimer tragen ebenfalls zu einer höheren Sterblichkeit der Menschen bei. Doch auch die sozialen Faktoren sind wichtig, denn sozial schwächere Gruppen sorgen mit einer höheren Sterblichkeitsrate dafür, dass die Gesamtentwicklung bei der Sterblichkeitswahrscheinlichkeit nach unten geht. Menschen aus höheren sozioökonomischen Schichten gleichen dies mit einer geringeren Sterblichkeit nicht wieder aus.

Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung bezeichnet Deutschland als Nachzügler unter den Ländern mit einem hohen Einkommen. Der Leiter der Forschungsgruppe Mortalität, Pavel Grigoriev, sieht eine Gesundheitslücke zwischen Deutschland und erfolgreicheren Ländern. Vor allem die Gruppe der 55- bis 64-Jährigen trage seiner Meinung nach zur Benachteiligung bei.

Laut Grigoriev sind es vor allem die Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die sehr zugenommen haben und die für höhere Sterblichkeitsraten sorgen würden. Abzulesen sei dies an den Daten, die es zu den einzelnen Todesursachen gäbe, sowie mithilfe demografischer Methoden. Grigoriev sieht das Problem vor allem in der medizinischen Grundversorgung sowie in der Vorbeugung von Krankheiten. Dies stehe aber im Gegensatz zu den Voraussetzungen, die in Deutschland eigentlich gegeben sind. Die starke Wirtschaft, das gute Sozialsystem sowie ein grundsätzlich gut ausgestattetes Gesundheitssystem müssten dafür sorgen, dass Deutschland bei einem Vergleich der Sterbezahlen besser abschneiden müsste. Warum das nicht der Fall ist, bleibt also weiter rätselhaft.

Lassen Sie eine Antwort hier