Ein aktuelles Gerichtsverfahren (Aktenzeichen 2 HK O 1211/23) vor dem Landgericht Traunstein führte zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die einer Vertriebspartnerin eines Unternehmens die Nutzung von insgesamt 68 rechtswidrigen Werbeaussagen für Nahrungsergänzungsmittel des US-Herstellers „ROOT WELLNESS LLC“ aus Tennessee untersagt. Das Gericht hat somit klargestellt, dass die genannten Werbeaussagen nicht im Einklang mit den rechtlichen Bestimmungen stehen und daher nicht verwendet werden dürfen.
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Einschränkungen erlassen: Prominente Ernährungswissenschaftlerin im Fokus
Die jüngsten Verbote wurden erlassen, um eine Diplom-Ernährungswissenschaftlerin (Univ.) anzusprechen, die im Raum Rosenheim tätig ist und unter anderem als Werbefigur für das Unternehmen und seine Produkte fungiert. Zusätzlich hat sie nach eigenen Angaben als Autorin für das „ARD Buffet Magazin“ mitgewirkt.
Klinoptilolith als Werbemittel: CLEAN SLATE ohne den Rohstoff
Das Hauptprodukt „CLEAN SLATE“ ist ein Nahrungsergänzungsmittel, das in einigen Onlineshops hierzulande zum Preis von etwa 100 Euro pro 30 ml-Fläschchen erhältlich ist. Die Zusammensetzung des Produkts umfasst laut Deklaration verschiedene Inhaltsstoffe wie Vitamin C (Ascorbinsäure), Meersalz, Siliziumdioxid („Kieselsäure“) als Zusatzstoff und Kaliumsorbat zur Konservierung. Der Hersteller bewirbt das Produkt fälschlicherweise als modernes Entgiftungsmittel und Allerheilmittel, obwohl es keine wissenschaftlichen Beweise für solche Behauptungen gibt und diese Praktiken illegal sind.
Es wird behauptet, dass der Zusatzstoff Siliziumdioxid, im Volksmund auch bekannt als „Kieselsäure“, aus dem Zeolith Klinoptilolith gewonnen wird und somit dessen Eigenschaften erbt. Die chemische Formel SiO2 zeigt jedoch, dass Siliziumdioxid immer aus oxidiertem Silizium und zwei Sauerstoffatomen besteht. Hierbei handelt es sich um einen herkömmlichen Zusatzstoff.
Es gibt Anzeichen dafür, dass die vorliegende Geschichte möglicherweise frei erfunden ist, um den hohen Gewinn mit einem einfachen Produkt zu rechtfertigen. Dazu gehört auch die in der Werbung wiederholte Behauptung, dass der nur minimal enthaltene Zusatzstoff eine „Weiterentwicklung“ des komplexen Klinoptiloliths sei. Das Landgericht hat die irreführende Darstellung der Ernährungswissenschaftlerin nicht akzeptiert und alle entsprechenden Angaben verboten, die auf Zeolith und Klinoptilolith Bezug nehmen. Darüber hinaus ist in Clean Slate kaum Kieselsäure enthalten. Die Analyse der Inhaltsstoffe, die dem Gericht vorgelegt wurde, ergab zudem, dass das Siliziumdioxid als Zusatzstoff zu Vitamin C und Meersalz nur in marginaler Menge in dem Produkt enthalten ist.
Die Macht der Entgiftung: Eine vermeintliche Lösung im Mittelpunkt einer Werbestory
Gemäß der Werbung des Herstellers und seiner Vertriebspartner soll das Produkt durch die Verwendung von Klinoptilolith als Weiterentwicklung die besondere Fähigkeit besitzen, Giftstoffe im Körper zu binden und auszuleiten. Im Unterschied zu herkömmlichen Zeolithen, deren Wirkung auf den Verdauungstrakt beschränkt ist, wird behauptet, dass das verkleinerte Molekül des Produkts in der Lage ist, Toxine im gesamten Körper, einschließlich des Gehirns, zu erreichen. Es gibt jedoch bisher keinerlei Anhaltspunkte oder fundierte Nachweise aus Anwendungsbeobachtungen und Studien, um diese Behauptung zu bestätigen.
Im Rahmen der EU Health Claims Verordnung werden jegliche Werbeaussagen mit Bezug zur Gesundheit oder zur Reduktion von Körpergewicht untersagt, sofern sie nicht in der offiziellen Gemeinschaftsliste genehmigt wurden. Darüber hinaus sind detaillierte ergänzende Informationen zu den „Claims“ vorgeschrieben, um mögliche Missverständnisse zu verhindern. Ein Beispiel dafür ist der obligatorische Hinweis auf den Vorteil einer ausgewogenen Ernährung, der nicht durch Nahrungsergänzungsmittel kompensiert werden kann.
Gesundheitswerbung unter der Lupe: Verbraucherschutzorganisationen fordern mehr Transparenz
Die Behauptung, dass Produkte mit Kieselsäure gesundheitsfördernde Wirkungen haben oder bei der Vorbeugung und Heilung von Krankheiten helfen können, ist wissenschaftlich nicht belegt. Dennoch hat die Vertriebspartnerin in Bezug auf das Produkt „CLEAN SLATE“ Dosierungsempfehlungen abgegeben und behauptet, dass es sogar bei schweren Erkrankungen wie Fibromyalgie, MS, chronischem Müdigkeitssyndrom, chronischer Borreliose, Autismus und Herzkreislauferkrankungen positive Effekte haben könnte.
Das Landgericht hatte kein Verständnis für die grob illegalen Angaben und verhängte ein Verbot, das mit der Androhung von Ordnungsgeldern oder ersatzweise Ordnungshaft bei Zuwiderhandlung verbunden ist. Eine einzige positive Eigenschaft der beworbenen Produkte ist, dass sie empfehlen, beim Verzehr der Tröpfchen reichlich Wasser zu trinken. Diese Empfehlung könnte auch dazu dienen, einige der Wunderheilungsgeschichten zu erklären, die von anderen Vertriebspartnern ohne jegliche Quellenangabe oder gar den Nachweis ihrer Authentizität verbreitet werden.
Breitere Einschränkungen für Produktwerbung: Serie setzt neue Regeln
Die Produktpalette des amerikanischen Herstellers ROOT WELLNESS umfasst neben vielen anderen Nahrungsergänzungsmitteln auch Produkte mit auffälligen Namen wie „ZERO-IN“, „RESTORE“, „IMMUN DEFENSE SHIELD“, „NATURAL BARRIER SUPPORT“, „RELIVE GREENS“ und „GIVE ME BACK MY YOUTH“. Allerdings hat das Unternehmen bedauerlicherweise rechtswidrige Werbeaussagen verwendet, die nun gerichtlich untersagt wurden.
Unerwünschte Rhetorik: Diskussion über die Fairness von „Wer ist so dumm…?
Es ist wichtig, bei vorschnellen Urteilen über Kunden, die man um beträchtliche Geldbeträge „erleichtert“ hat, zu bedenken, dass diese Art von „Werbung“ vor allem Menschen mit Krankheiten anspricht, darunter auch chronisch Kranke und schwer Erkrankte. Menschen in solchen Situationen greifen in ihrer Verzweiflung nach jeder Hoffnung, nach jedem Strohhalm, und befinden sich daher in einer Lage, in der sie dazu neigen, auch für kostspielige und zweifelhafte Hilfsmittel viel Geld auszugeben. Daher ist es äußerst wichtig, dass der Verbraucherschutz einen umfassenden Schutz vor derartiger Scharlatanerie bietet und diesen Schutz konsequent durchsetzt.
Im Verfahren mit der Aktennummer 2 HK O 1211/23 hat das Landgericht Traunstein ein Verbot erlassen, das von der adressierten Vertriebspartnerin angefochten werden kann. Mit einem Widerspruch kann sie eine erneute Verhandlung vor Gericht erwirken und auf diese Weise ein abschließendes Urteil im Eilverfahren erreichen.